Mentor, mal anders

Meghana Raveendra
2019 kanthari und Gründerin von moringa

“Wenn du nicht siehst, wohin du gehst, frage jemanden, der schon einmal dort war.” – J. Loren Norris

Das Zitat von Lorena Norris gibt einen Einblick in das, was wir bei kanthari unter Mentoring verstehen. Bisher haben wir die Beziehung zwischen Mentor und Mentee als eine hierarchische verstanden.

Dabei kam es immer darauf an, dass ein guter Mentor jemand ist, der in einer “höheren Position” im Leben steht, der älter ist als man selbst, der die Leiter des Erfolgs erklommen hat und nun großzügig etwas zurückgeben möchte. Es ist durchaus üblich, dass ein Mentor/Mentee-Verhältnis schließlich in eine Lehrer-Schüler-Beziehung driftet, ganz einfach, weil wir es nicht anders kennen.

Das funktioniert für einige, die aus ihrer Schul-Phase nicht ausbrechen können. Aber für kantharis funktioniert das so nicht.

Paul und Sabriye, die Gründer von kanthari, dachten, sie könnten aus ihren eigenen schwierigen Erfahrungen her uns “Neulinge” auch nach dem kanthari Programm beratend zur Seite stehen. Doch solange wir noch in der Anfangsphase stecken, spürten sie Distanz. Viele von uns wollten sich nichts sagen lassen. Ja, wir wußten, dass beide selbst größte Anfangsschwierigkeiten hatten. Aber irgendwie waren die weit weg. Denn jetzt ist kanthari ein stabiles Institut.

Was steht hinter unseren Schwierigkeiten, Ratschläge von den beiden anzunehmen? Obwohl oder gerade weil kanthari an flache Hierarchien glaubt, haben wir das Gefühl, sobald wir auf eigenen Beinen stehen, müssen wir uns vom “Lehrer” abgrenzen. Dabei vergessen wir wieder einmal, dass es bei kanthari gar nicht um Lehrer und Schüler geht. Die meisten von uns kommen aus Kulturen, in denen eine Top-Down-Hierarchie die Norm ist. Es ist ziemlich schwierig, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Von jemandem als Mentor betreut zu werden, der mehr als 20 Jahre Erfahrung hat, kann daher für Mentees überwältigend wirken.

Das Problem motivierte die beiden, alternative Wege zu finden. Sie wählten Mentoren aus der Gruppe der Ehemaligen, solche, die bereits die ersten Wellenbrecher überwunden haben, aber noch nahe genug an der Anfangsphase stehen. Jetzt war es für uns alle klar. Es geht hier nicht um einfache Wissensvermittlung oder um gut gemeinte Ratschläge aus sicherer Position. Sondern es geht um gegenseitiges Lernen, Austausch von Problemen. Damit werden wir nicht von der Erfahrung des Mentors überwältigt.

Das neue Konzept startete 2018. Es wurden Mentoren und Mentees zusammengebracht, die aus ähnlichen Regionen stammen, oder mit den gleichen Problemen kämpfen. Ein Mentor sollte jemand sein, der schon einige Schwierigkeiten überwunden hat, jemand, der aufgrund seines sozialen Engagement mit den Angehörigen Auseinandersetzungen führen muss, jemand der in bestimmten Situationen fast aufgeben musste, jemand der selbst finanzielle Probleme erlebte.

Und Eureka! Ich hatte eine gute Erfahrung mit meinem Mentor. Die Tatsache, dass wir beide kanthari Absolventen waren, hat uns zusammengeeschweißt.
Sristi KC, kanthari Absolventin von 2012, kommt aus Nepal, sie ist blind und sie ist Gründerin einer gemeinnützigen Organisation namens Blindrocks! (https://www.blindrocks.org). Von Anfang an konnten wir Erfahrungen über ähnliche Herausforderungen austauschen. Wir konnten frei darüber reden, wie sich das Engagement auf unser persönliches Leben auswirkt und wir waren in der Lage, gleichzeitig Verpflichtungen zu erfüllen, Pläne, die wir beide vereinbart hatten zu realisieren.

Es macht doch einen riesen Unterschied, ob jemand durch ähnliche Herausforderungen gehen musste oder rein aus theoretischem Wissen jemanden einen guten Ratschlag gibt.

Ab diesem Jahr beziehen wir die Alumni-Mentoren bereits in der Vorbereitungsphase, dem Act-0, mit ein. Das heißt, die Teilnehmer werden von ehemaligen kanthari Teilnehmern betreut, sobald sie den Kurs beginnen.
Das hilft ihnen zu erfahren, was sie höchstwahrscheinlich im Programm erwarten wird.

Sobald die Teilnehmer den vierten Act abgeschlossen haben, werden sie weiter von den gleichen Alumni betreut. Normaler Weise handelt es sich um solche, die aus der gleichen Region kommen. Damit wird das Verhältnis verlässlich und fest.
Um dieses neue Modell des Mentorings in Gang zu setzen, hatten wir kürzlich unser erstes Online-Treffen mit den Mentoren. Ich nahm dabei als KNOCK-Koordinatorin Teil. (knock steht für kanthari network of change and knowledge.)
Das Treffen war berührend. Es ging darum, wie sehr die Alumni sich darüber freuen, mit Neuen einen Austausch zu starten. Sie wollen nicht einfach nur weitergeben, sie wollen selber lernen und gehen an die Aufgabe des Mentoring ganz anders heran.

Es bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass wir uns von unseren inneren Hierarchien befreien müssen, um lernen zu können.

Mentoren sind Partner. Partner, die Erfahrungen gemacht haben und nicht nur über theoretisches Wissen verfügen. Partner, die den Mut und die Größe haben, Barrieren zu durchbrechen und Veränderungen anzugehen.

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