Etwas bemerkenswertes passiert in unserem Vellayani-See:
Hier ist die Geschichte aus zwei Perspektiven. Zunächst die Perspektive des Shishyan, des Lernenden.
(Shishyan bedeutet “Jünger” oder auch “Studierender” in Malayalam,)
Von Salini John, Akademische Assistentin in kanthari
“Ich liebe den Strand, die Wasserfälle und Flussufer, aber ich hatte große Angst, ins Wasser zu gehen.
2004, während meines Hotelmanagement-Studiums in Kovalam, ging ich mit meinen Freunden oft zum Strand, in der Nähe unseres Colleges. Wir alle genossen das Meer und die Wellen. Plötzlich aber, zog mich eine Welle unters Wasser. Meine Freunde waren zum Glück in der Nähe und konnten mich herausziehen. Seitdem halte ich immer einen sicheren Abstand zum Wasser.
Auch im kanthari Institut, das an den Vellayani-See grenzt, blieb ich vom Ufer weit entfernt.
Trotz meiner Angst, wollte ich, dass meine vierjährige Tochter Schwimmunterricht bekommt. Ich möchte, dass sie furchtlos aufwächst. So brachte ich sie eines Morgens zu kanthari und stellte sie meiner Freundin und Kollegin Riya vor, die sich bereit erklärte, ihr Schwimmunterricht zu geben. Allerdings, bat sie mich, auch mitzumachen.
Mit ein wenig Zögern, stimmte ich zu, eigentlich nur, um meiner Tochter nahe zu sein und um ihr Selbstvertrauen im Wasser zu geben.
Dabei zeigte meine Tochter mehr Selbstvertrauen und lachte mich aus, während ich mich schreiend am Schwimmen versuchte. Riya wurde bald vertraut mit den unterschiedlichsten Lauten, die ich ausstieß. Ich versuchte alles, um aufzuhören, aber Riya blieb stur, ich solle erst abbrechen, nachdem ich schwimmen gelernt hatte.
Zu meiner Überraschung fand ich mich an meinem 25. Tag des Schwimmkurses (am Montag dem 22.02.2021) mit Hilfe eines Kickboards im Wasser treibend, aber das große Problem: ich konnte meine Füße nicht mehr auf den Boden absenken, geschweige denn das Kickboard loslassen.
An diesem Tag sagte ich Riya, dass ich nicht glaube, jemals in meinem Leben schwimmen zu lernen. Ich sagte: “Heute ist mein letzter Tag, Schwimmen ist nichts für mich!”
Riya blieb eisern. Und jetzt erklärte sie mit Unterstützung von Paul und Sabriye, zwei oder drei Techniken, wie man sich über Wasser halten könne und wie man sicher wieder auf die Füße kommt. Zu Hause haben mich auch mein Mann und meine Schwiegermutter motiviert, ich solle nur Vertrauen in mich haben, dann würde es schon gehen.
Am nächsten Tag hat sich nichts verbessert. Sollte ich doch lieber aufhören? War das nicht eine große Zeitverschwendung für Riya und für mich selbst? Doch meine innere Stimme sagte mir, ich solle endlich meine Angst überwinden. Also versuchte ich es weiter.
Am 27. Tag meines Schwimm-Lehrgangs also am Mittwoch, dem 24.02.2021, zwang ich mich wieder ins Wasser, immer noch mit Hilfe meines Kickboards.
Riya nahm langsam mein Kickboard weg, gab mir die Hand zur Unterstützung und ließ langsam los. Plötzlich schwebte ich ganz allein durch den See. Ich sollte meine Hand langsam im Wasser bewegen, um mich vorwärts zu drücken. Und jetzt tat ich etwas, was ich im meinem Leben niemals für möglich hielt, ich schwamm!
Das Schwimmen hat mir Selbstbewußtsein gegeben. Auch spüre ich keine Angst vorm Wasser mehr. Nichts ist unmöglich, wenn wir es immer wieder versuchen und uns unseren Herausforderungen stellen.
Die Trainerperspektive:
Von Riya Orison, der kanthari Bio-Windel-Projekt-Managerin
Wann haben wir das letzte Mal etwas zum ersten Mal getan?Wir alle haben Geschichten über Ertrinken oder Nahtod-Erfahrungen gehört, und all das, weil Leute nicht gelernt haben, zu schwimmen. Die Frage ist, sind wir in der Lage, jemanden im notfall zu retten?
Obwohl Kerala ein Staat mit vielen Flüssen, Seen und einer langen Küstenlinie ist, ist der Anteil der Menschen, die schwimmen können, extrem gering. Ich hatte Glück, schon als Kleinkind von meinem Vater im Fluss Schwimmen zu lernen. Immer wenn ich die Chance bekomme, jemandem das Schwimmen beizubringen, mache ich das gerne. Und im kanthari Institut bekam ich wieder eine solche Gelegenheit.
Wir haben unseren Unterricht in der ersten Januarwoche begonnen. Seitdem haben die Aktivitäten im See zugenommen, Schwimmlehrgänge und Seereinigung.
Ich begann mit Kindern der kanthari-Mitarbeiter, mit Angel, sechs Jahre alt und Apoorva, Salinis vierjähriger Tochter. Als Salini dazu kam, war es mein erstes Mal, mit jemanden zu arbeiten, der so viel Angst vorm Schwimmen hat.
Wir begannen damit, den Atem anzuhalten und zu versuchen, unter Wasser auszuatmen. Ich war überrascht, Salini konnte sich treiben lassen, aber nur wenn sie sich an etwas festhielt, zuerst an den Treppenstufen, dann am Kickboard. Aber dann ließ sie das Kickboard nicht mehr los. Obwohl das Wasser nicht besonders tief ist, war sie unheimlich ängstlich.
Immer wenn Paul in den See kam, beobachteten meine Schwimmschüler mit Interesse, wie er auf seinem Rücken lag, und langsam davontrieb. Angel meinte dann: “Ich möchte schwimmen lernen wie Paul Onkel”.
Mit jedem Tag machte die sechsjährige Angel Fortschritte, während Salini ihren Mut verlor. Dann kam sie mit Ausreden, warum sie nicht mehr zum Unterricht kommen konnte. Ich begriff langsam, dass es ihre Angst vor dem Wasser, nicht vor dem Schwimmen war. und so konzentrierte ich mich nur darauf, die Angst vor dem Wasser zu mildern.
Sie stand kurz davor, wieder einmal aufzugeben. Aber alle um sie herum hatten anderes vor. Salinis Schwimmunterricht wurde nun zu einem Gemeinschaftsprojekt. Die vielen Ermutigungen halfen.
Unsere schlimmsten Ängste anzugehen, ist eine der lohnendsten Erfahrungen. Es gibt uns Vertrauen, und wir werden es immer leichter haben, Ängste und Herausforderungen zu überwinden.