Mein Dorf im Lampenschein

Susanna Simango
2024 kanthari Teilnehmerin aus Malawi

Durch die Arbeitslosigkeit des Vaters, sah sich Susannas Familie gezwungen, aus der bequemen Stadt aufs Land zu ziehen. Das Leben im Dorf, ohne fließend Wasser und Strom, war nicht einfach. Die Tage begannen schon sehr früh, denn noch vor der Schule, musste Susanna losziehen, um Feuerholz zu besorgen. So erfuhr sie am eigenen Leib, was Frauen in abgelegenen Gegenden Malawis auf sich nehmen müssen. Denn die harte Arbeit in der Dunkelheit, ohne Strom ist gefährlich. Später arbeitete sie mit NGOs an der Elektrifizierung der Dörfer und sie brachte Licht in die Hütten durch ihre eigene NGO.

Mein Dorf im Lampenschein - (Kwathu Kuwale)

Viele Menschen können sich nicht mehr vorstellen, wie es ist, an einem Ort zu leben, an dem jede Nacht voll Gefahren lauert, da selbst die einfachsten Tasks ohne Licht sehr schwer gemacht werden. Für 17 Millionen Menschen im ländlichen Malawi ist dies tägliche Realität. Auch ich lebte den Großteil meiner Schulzeit im Dunkeln.

Es war 4 Uhr morgens, es war kalt und dunkel. An einem normalen Schultag besorgte ich Feuerholz für meine Familie, das wurde zu einem wichtigen Teil meines Lebens.Diese Herausforderungen waren entscheidend für meine Leidenschaft, etwas für Frauen in entlegenen Dörfern zu tun.

Kindheit in der Stadt

Zunächst einmal wuchs ich in der Stadt Blantyre auf. Malawi ist ein schönes Land, mit Bergen, Flüssen und dem atemberaubenden Malawi-See. Obwohl Malawi das siebtärmste Land in der Welt ist, leben die Menschen in den Städten in ansehnlichem Comfort.
Ich erinnere mich gerne an meine frühe Kindheit.

Als ich vier Jahre alt war, brachten mich meine Eltern mit dem Auto in den Kindergarten. Ich stand zwischen den Vordersitzen, sah die Welt vorbeiziehen und fühlte mich jeden Morgen wie auf einem Abenteuer. Ich liebte es, im Fernsehen Cartoons zu schauen, mit Puppen zu spielen und mit meinen zwei Freunden zu spielen. Wir hatten viel Spaß. Ja, ich hatte ein paar recht glückliche Momente.

Der Umzug ins Dorf

Dann, im Jahr 2003, während der Schulferien, war alles plötzlich vorbei.

Es war nach dem Abendessen und ich erinnere mich daran, dass mein Vater zunächst einen tiefen Seufzer ausstieß. Dann erklärte er: „Ich habe meinen Job verloren.“ Von einem Moment auf den anderen änderte sich unser Leben. Wir hatten keine andere Wahl, als in ein Dorf namens Chiswe zu ziehen. Das Dorf war 30 km von Blantyre entfernt, und es war Schluss mit Fernsehen, Kühlschrank, Auto, fließend Wasser und Licht.

Ich bin die Jüngste in einer Familie mit vier Töchtern, und als wir die Stadt verließen, waren zwei meiner Schwestern bereits verheiratet und eine war im College. So war ich die meiste Zeit nur mit meinen Eltern zu Hause. Holzsammeln wurde in der ländlichen Gegend zu unserer Hauptbeschäftigung. Es ist die einzige Energiequelle für die Haushalte im Dorf.

Die Herausforderung des Holzsammelns

Auf meinen Gängen begegnete ich Frauen und jungen Mädchen aus nahegelegenen Dörfern, die große Bündel Holz auf ihren Köpfen trugen. Sie mussten oft weite Strecken zurücklegen, um über den Tag zu kommen. Der Anblick des Sonnenaufgangs mit seinen warmen orangenen Strahlen, gab mir ein Gefühl von Wärme und Freude und entschädigte mich für die harte Arbeit.
Holz wurde zum Kochen von Wasser fürs Essen, für die Wäsche und für unsere Hygiene gebraucht.

Zu erschöpft, um zu lernen, begannen sich meine Schulnoten zu verschlechtern. Nachts musste ich mich auf eine einzelne Kerze verlassen, die kaum genug Licht spendete, um klar zu sehen und meine Hausaufgaben zu erledigen. Meine Eltern entschieden sich schließlich dafür, mich bei meiner Tante in der Stadt unterzubringen. Dieser Umzug ermöglichte mir, mich besser auf mein Studium zu konzentrieren, so konnte ich meine Abschlussprüfungen bestehen.

Rückkehr in die Dörfer

Aber nach meinem Studium zog es mich zurück in die abgelegenen Dörfer. Ich bekam einen Job in einer internationalen NGO. Ich arbeitete an einem Projekt zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen im ländlichen Raum. Meine Aufgabe bestand darin, Frauen zu helfen, Gemüsegärten anzulegen und sie in der Erstellung nahrhafter Mahlzeiten zu trainieren. Bei diesem Projekt ging es um Nahrungssicherung und um gesunde Ernährung.

Eines Nachmittags besuchte ich eine Frau, die mit ihrer Großmutter in einem abgelegenen Dorf lebte. Es war weit entfernt, also fuhr ich mit dem Motorrad dorthin. Die Einheimischen mussten zwei Stunden laufen, um das nächste Dorf mit Laden und befestigter Straße zu erreichen.

Ein kleines Laempchen macht einen RIESEN Unterschied!

Ich wurde von der Großmutter begrüßt, die vor der Hütte auf einer Matte in der sengenden Sonne saß und Gemüse schälte.

Ihr Stroh bedeckte Hütte war sehr klein. Das schwache Licht von draußen ließ gerade die Lehmziegelwände und einige einfache Besitztümer erkennen. Das einzige Fenster ließ nur einen Hauch von Sonnenlicht herein. Als ich mich auf eine geflochtene Matte setzte, fühlte sich der Raum kalt an, aber die Begrüßung der Großmutter machte ihn warm und einladend. In den ländlichen Gegenden Malawis ist es Tradition, Besucher einzuladen, egal wie bescheiden das Zuhause ist. Als ich dort in der Stille und Dunkelheit saß, erinnerte es mich an meine eigene Kindheit ohne Strom. Es war klar, wie sehr ein wenig Licht solche Orte verwandeln könnte und den Familien das tägliche Leben erleichtern würde.

Frauen und Elektrizität

Durch meine Interaktionen mit Frauen im ländlichen Malawi erkannte ich, wie sehr sie unter dem Mangel an Elektrizität leiden. Aufgrund gesellschaftlicher Erwartungen übernehmen sie den Großteil der Hausarbeit. Viele Frauen sind Gefahren ausgesetzt, wenn sie im Dunkeln arbeiten müssen. Dies empfand ich als zutiefst unfair und es inspirierte mich dazu, “Village Solar” mitzugründen, ein Sozialunternehmen, das Frauen mit den Fähigkeiten ausstattet, um Zugang zu sauberen Energielösungen zu haben.

Was ist das Problem?

Weltweit haben rund 733 Millionen Menschen noch immer keinen Zugang zu Strom, etwa 570 Millionen davon in Subsahara-Afrika. Malawi kämpft mit seiner eigenen Elektrizitätskrise. Nur 12% der Malawier haben Zugang zum Stromnetz, und nur 6% können Off-The-Grid-Optionen wie Solarsysteme nutzen. Der Rest, hauptsächlich in ländlichen Gebieten, bleibt im Dunkeln.

In den meisten Dörfern in Malawi kommt das Leben nach Sonnenuntergang aufgrund des Mangels an Strom zum Stillstand. Familien verlassen sich auf Kerzen und Bündel aus trockenem Gras, die sie als provisorische Fackeln nutzen, was tägliche Aufgaben erschwert und nicht ganz ungefährlich ist. Kleine Geschäfte schließen früh, und Kinder haben Schwierigkeiten, im schwachen Licht zu lernen.

Pilotprojekt Village Solar

Im Juli 2023 startete “Village Solar” ein Pilotprojekt zur Verteilung von Solarlampen im Dorf Mtambo. Wir stellten 300 kleine Solarlaternen zur Verfügung und schulten 30 Frauen aus Mikro-Kredit-Gruppen in der Verteilung. Obwohl die Lampen auf Ratenzahlung angeboten wurden, konnten es sich nicht alle leisten. Nach dem Pilotprojekt bewarb ich mich für das kanthari Impact Leadership Trainingsprogramm, wo ich unseren Ansatz reflektierte und notwendige Anpassungen an unserem Plan vornahm.

Empowerment durch Energiekollektive

Nun möchten wir die Frauen befähigen, ihre Energienutzung selbst in die Hand zu nehmen, indem wir von Frauen geführte Energiekollektive gründen. Anstatt sie zu passiven Empfängerinnen zu machen, möchten wir ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, ihre Energienutzung selbst zu verwalten. Diese Kollektive werden Solarprodukte zusammenbauen, vertreiben und gegebenenfalls reparieren. 

Die Produkte sollen aus lokal verfügbaren Materialien wie alten PET-flaschen und Bambus hergestellt werden. Das wird die Abhängigkeit von Importen verringern und die Kosten senken. Ein Dorf nach dem anderen werden wir so erhellen. das Dorf Mtambo ist nur der Anfang.

Eine neue Realität

Man sollte sich nur mal vorstellen, man betritt einen Dorfladen, gerade als die Sonne untergeht. Vorher musste der Laden schließen, da nichts mehr zu sehen war. In naher Zukunft wird Das kleine Geschäft erstrahlen im Licht einer Solarlaterne, die von der Decke hängt – ein Anblick, der hier einst undenkbar war. Sie treffen den Ladenbesitzer, der freundlich lächelt und sagt: „Unsere Dörfer haben sich so sehr verändert. Und alles dank eines Frauenkollektivs.”
Er wird sich nicht nur über das Licht freuen, sondern auch die Frauen des Dorfes in einem ganz neuen Licht sehen.

Kinder können einige der Abendstunden zum Lernen nutzen, Gesundheitszentren sind gut beleuchtet und können rund um die Uhr geöffnet sein. und Geschäfte wie seines, bleiben jetzt länger geöffnet und florieren in dieser neuen Realität.

Dörfer, die einst in Dunkelheit lagen, leuchten nun mit einer Zukunft voller Möglichkeiten.

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