Josephe Christophe Kone ist gebürtig aus Liberia, West Afrika. Im Alter von sieben Jahren erlebte Joseph, wie Rebellen die Stadt Gbarnga in Liberia einnahmen. Seine Mutter floh mit ihm und seiner Schwester in ein Dorf, doch da waren sie auch nicht sicher. Er wurde Zeuge von Gräueltaten der Rebellen an Frauen und Mädchen. Die kleine Familie suchte bis zum Waffenstillstand Zuflucht in einer nahen gelegenen Höhle. Als sich das Leben langsam wieder normalisierte, entdeckte er seine Leidenschaft für das Radio. Dies war der Beginn seiner Reise als Radiomoderator, eine Reise zur Überwindung der Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, eine Reise der Hoffnung, espero.
Ich war sieben Jahre alt, als die Stadt Gbarnga in Liberia in die Hände der Rebellen der United Liberation Movement of Liberia for Democracy (ULIMO) fiel. An diesem Morgen hörten wir Schüsse; alle rannten in alle Richtungen. Meine Mutter schaffte es, meine Schwester und mich in unser Heimatdorf zu bringen. Eine Nacht lang konnten wir ruhig schlafen.
Am Nachmittag des nächsten Tages hörten wir erneut Schüsse, diesmal waren sie näher als zu vor und die Zahl der Schießenden schien sich vergrößert zu haben. Wieder brach Panik aus, und wir begannen zu rennen. Aber die Rebellen hatten das Dorf inzwischen umzingelt. Wir suchten alle Zuflucht in unseren Häusern. Einer nach dem anderen wurden wir auf den Dorfplatz geschleppt. Die Kinder, die älteren Frauen und die Männer mussten sich in einem Kreis auf den Boden setzen. Die Rebellen zwangen uns dann, dabei zuzusehen, wie sie junge Frauen brutal vergewaltigten, viele von ihnen unsere engsten Verwandten.
Als die Rebellen abzogen, ließen sie eine zutiefst traumatisierte Gemeinschaft zurück. Nicht viel später wurde das Dorf von einer anderen Rebellengruppe geschützt, aber das Vertrauen war dahin.
Wir befürchteten, dass die brutalen ULIMO-Rebellen zurückkehren würden, also brachten uns unsere Mütter zu einem Bauernhof etwas außerhalb des Dorfes, wo wir in einer Höhle Zuflucht fanden. Wir Kinder wurden zusammen mit den Älteren in der Höhle zurückgelassen, während unsere Mütter und Schwestern sich auf die Suche nach Nahrung machten. Von diesem Moment an wusste ich, dass Frauen stark und widerstandsfähig sind.
Als ein Waffenstillstand verkündet wurde und wieder Normalität einkehrte, gingen wir zurück in die Stadt und wurden eingeschult. Doch der Waffenstillstand war instabil, und von Zeit zu Zeit mussten wir aus der Stadt fliehen, die Situation in unserem Dorf abwarten und dann zurückkehren.
Nach dem Ende des Bürgerkriegs kehrte das Land langsam zur Normalität zurück. Ich erinnere mich noch gerne an ein Ereignis in den Weihnachtsferien. Die Jugendlichen meines Dorfes organisierten ein Fußballturnier. Am ersten Weihnachtstag spielte unser Club gegen den Verein des Nachbardorfes. Dabei fiel mir das Mikrofon, das für die Durchsagen verwendet wurde, ins Auge. Kurzerhand nahm ich es und begann, das Spiel zu kommentieren. Die Menge begann zu jubeln. Danach kamen viele, um mich zu ermutigen, weiterzumachen. Ich erinnerte sie tatsächlich an professionelle Radioreporter und Fußballkommentatoren. Ich bekam sogar für meine weiteren Auftritte ein wenig Geld. Da war dieser ehrwürdige Herr, Garkpon, der mich seit diesem Tag nie wieder bei meinem Namen nannte. Er bezeichnete mich fortan mit: “mein Journalist”. An diesem Tag wurde mir das erste Mal bewusst, dass ich etwas bewegen konnte. Ich fühlte mich nützlich, und ich war mir sicher, dass ich einen Platz in der Gesellschaft haben würde.
Was aber mein Leben besonders beeinflusst hat, ist ein Widerspruch in der Gesellschaft. Frauen sind die starken, die Mutigen, aber sie werden unterdrückt.
Meine größte Bewunderung gilt meiner Mutter und meiner Schwester. Sie haben mich großgezogen und immer dafür gesorgt, dass ich nicht gewalttätig werde und mich den Rebellen anschließe. Wären sie nicht gewesen, wäre ich heute entweder in einem Gefängnis oder sogar getötet worden.
Die Stärke der beiden hat mich dazu gebracht, für Frauen einzutreten.
Für mich gibt es daher keine andere Wahl als mein Leben der Armutsbekämpfung zu widmen. Alles, was ich tue, wird im Namen der Gewaltlosigkeit und für Gleichberechtigung geschehen.
Mein Beitrag dazu sollte über das Medium erfolgen, das ich am besten kannte: das Radio. Ich gründete einen Radiosender in Liberia, der durch seine Programme lokale Popularität erlangte. Wir machten hauptsächlich Beiträge, die sich mit der Frauenfrage, mit Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und mit Gleichstellung auseinandersetzten. Aber ich wurde von meinem Partner (unserem Bezirksvertreter in der nationalen Legislative) betrogen. Er übernahm den Sender als Vorsitzender des Kuratoriums. Er suspendierte mich auf unbestimmte Zeit aus irgendwelchen vagen “administrativen” Gründen. Später wurde mir klar, dass er mich wegen meiner Popularität als Hindernis für seine politische Position ansah.
Aus Frustration beschloss ich, Liberia zu verlassen und die lange und gefährliche Reise nach Europa anzutreten. Doch schon im Nachbarland Guinea blieb ich hängen. Ich lernte eine andere starke Frau kennen, die in mir das Feuer entfachte, für die Frauen in West Afrika einzutreten und meinen Traum einer gerechteren Gesellschaft nicht aufzugeben. Ob in Liberia oder Guinea, Frauen leiden überall.
Ich möchte in einer Gemeinschaft leben, in der Frauen nicht zu einer frühen Heirat gezwungen, sexuell ausgebeutet oder körperlich missbraucht werden, sondern in der ihre Fähigkeiten und Ambitionen gefördert werden; eine Gemeinschaft, in der jeder die Möglichkeit hat, seinen Weg zu gehen. Und das Radio wird mein Werkzeug sein.
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Joseph wird seine Geschichte und seine Projektideen für einen sozialen Wandel in West Afrika während der kanthari TALKS öffentlich machen. Weitere Einzelheiten zu dieser Veranstaltung, die live gestreamt wird, finden Sie auf http://www.kantharitalks.org/