von Chacko Jacob
Im Blog-Beitrag vom 24. April 2020 schrieben wir darüber, wie zu Beginn der Pandemie alle gesellschaftlichen Sektoren zusammenkamen, um die aktuelle Krise gemeinsam anzugehen.
Hier ging es um die zielgerichtete Kooperation von staatlichen Stellen, von NGOs, von Philanthropen, engagierten Bürgern, von Unternehmen u.v.m. Alle arbeiteten rund um die Uhr, um besonders benachteiligte gessellschaftliche Gruppen vor den existenziellen Folgen der Pandemie zu schützen. Viele Organisationen, darunter auch die von kantharis, pausierten ihre reguläre Arbeit, orientierten sich um und starteten neue Projekte um Hungernden, Arbeitslosen und Erkrankten unter die Arme zu greifen.
Dazu gehören neben vielen anderen kantharis, der Umweltschützer Ragunath Veeravel, Gründer von Aaranya. Er versorgte Wanderarbeiter die durch die Pandemie Ihre Arbeitsstellen verloren hatten mit Mahlzeiten. Das ist aber nur eine von vielen Geschichten der kantharis. Da gibt es Gouri, der sich mit seiner Organisation an-anya um vernachlässigte Kinder kümmert, Sadhana, die sich mit ihrer Initiative Sadhan für Frauen der Ureinwohner engagiert, Jyotshna Das, Gründerin von Janamangal, die sich während der Corona Ausgangssperre für ein Alkoholverbot und damit für gewaltlose Haushalte einsetzt, Samuel, Gründer von Thumbs Up Academy, der mit behinderten Kindern in Uganda arbeitet, Omona, Gründer von Lighta der seine Arbeit den AIDS Waisen in Uganda widmet, Miatta, Gründerin von LEEMAH die sich für ehemalige Sexarbeiter in Liberia einsetzt und Ruang, Gründerin von Hinghoy Noi, die in Thailand gegen kulturellen Tabus kämpft.
Dank der Unterstützung aus dem kanthari Nothilfefonds, konnten die kantharis in den letzten Monaten mehr als 6‘000 hilfsbedürftigen Menschen durch die Krise helfen. Das war nur möglich, weil sich die Leser und Leserinnen dieses Blogs für unsere Arbeit eingesetzt haben und uns grosszügige Spenden zu Gunsten des Nothilfefonds zukommen liessen. Vom ganzen kanthari Team – vielen herzlichen Dank dafür!
Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir uns in Krisensituationen zusammenschliessen müssen. Das bedeutet, dass NGOs, Regierungen und engagierte Bürger gleichermassen an einem Strick ziehen müssen. In der Not tun die meisten, was zu tun ist. Kaum jemand legt freiwillig die Hände in den Schoss. Alle sind dankbar für die gemeinsamen Zielsetzungen. Aber was passiert, wenn die Krise vorbei ist? Ist dann alles easy? Brauchen wir dann keine NGOs mehr?
Man kann natürlich argumentieren, dass es eigentlich keine wirklichen “Friedenszeiten” gibt.
Es gibt immer Krisen, nur dass sie oft für die Mehrheit unsichtbar sind. Denn solange man nicht selbst betroffen ist, hat man kaum ein Auge für Ungerechtigkeit. Das ist anders bei unseren kantharis. Jeder von ihnen steht für die Lösung eines Problems, das sie selbst einmal erfahren haben. Zum Beispiel:
- Gleicher Zugang zu Bildung für Kinder von Gefangenen (KR Raja, GNE)
- Die Möglichkeit, Schule auch ohne autoritäre Lehrer zu erleben (Abhijit Sinha, Project DEFY) Prävention von Selbstmord unter Jugendlichen in Indien (Sherin Noordheen, Let’s Live)
- Ein Leben in Würde für die alten Obdachlosen in Pondicherry (Anumuthu Chinnarai, Snehan)
- Gleichberechtigter Zugang zu Chancen für Dalit Kindern (Bharat Wankhade, Mudita)
… die Liste ist lang. Ich frage mich, wie einzelne Länder aussehen würden, wenn all diese Initiativen wegfielen?
Wäre es nicht wunderbar, wenn NGOs sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren könnten, ohne ständig durch Feuerreifen springen zu müssen?
Was meine ich damit?
Statt ein Schulterklopfen für die Arbeit in Krisenzeiten, ernten die meisten Hilfsorganisationen in guten Zeiten einen bürokratischen Fusstritt. In guten Zeiten wird die tägliche Arbeit von NGOs mit der Befolgung von Vorschriften ausgefüllt – und die Vorschriften werden immer mehr.
Nun gut, der soziale Sektor ist nicht perfekt. Es gibt in der Tat einige wenige Organisationen wo Korruption, Machtmissbrauch und Geldwäsche eine Rolle spielt.
Daher würden die Meisten, die NGOs gegründet haben, sich für gründliche Kontrollmassnahmen starkmachen. Auch um der Gesellschaft zu zeigen, dass ein sehr grosser Teil der NGOs einen sehr guten Job machen.
Was aber nicht hilft, sind Regelungen, die gemeinnützigen Organisationen mehr schaden als helfen. Ein Zeichen für eine solidarische Gesellschaft wäre, wenn weltweit NGOs die gleichen Chancen wie Unternehmen erhielten. Arbeit, die nicht eigennützig oder gewinnorientiert ist, sollte gefördert, nicht erschwert werden. In den meisten Fällen haben Regierungen und NGOs sehr ähnliche Ziele, wenn vielleicht auch aus unterschiedlichen Motiven. Aber alleine die Zielsetzung sollte Antrieb genug sein, um zusammenzuarbeiten. Die Art und Weise, wie Aktivisten und Politiker mit Meinungsverschiedenheiten umgehen, zeigt ganz klar die Reife einer Demokratie.
Daher sollten sich weder Regierungen noch der soziale Sektor von Angst und Misstrauen beeinflussen oder leiten lassen. Das baut nur Barrieren auf und rückt den gesellschaftlichen Wandel in weite Ferne.
Wichtig ist, die Grenzen der Machbarkeit zu erkennen und dann aufeinander zuzugehen.
Nur wenn wir uns allen zusammen schliessen, können wir gemeinsam eine bessere Zukunft für alle bauen.