Der 7. April wird jedes Jahr von der Weltgesundheitsorganisation als Weltgesundheitstag gefeiert, um Bewusstsein zu schaffen und auf wichtige Gesundheitsprobleme in der ganzen Welt aufmerksam zu machen. Aus diesem Anlass dachte ich, dass es wichtig ist, über den mangelnden Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung in der Welt, in der wir leben, zu sprechen.
Wenn sich die Gelegenheit ergibt, besuchen wir auch unsere Absolventen in ihren Herkunftsländern. So auch Harriet aus Uganda. Sie lebte bis zu ihrer Hochzeit in einem Heim für Kinder verarmter Familien. Sie war ein Flüchtlingskind; ihre Eltern waren vor dem Genozid in Ruanda geflohen und konnten sich nicht mehr um alle Kinder kümmern.
Das Heim befindet sich am Rand von Kabalagala, Ugandas größtem Rotlichtviertel. Einige der Kinder, mit denen sie aufwuchs und zur Schule ging, waren Töchter von Prostituierten. Manche wussten vom Gewerbe der Mütter, andere fanden es erst heraus, als die HIV-Infektion ihrer Mütter diagnostiziert wurde. Häufig bekommen Prostituierte keine angemessene Behandlung. “Prostitution ist in Uganda illegal“, sagt Harriet. „Manche Ärzte weigern sich, die Frauen zu behandeln. Meine Freundinnen sorgten sich um ihre Mütter. Die Sexarbeit ist gefährlich; die Freier können mit ihnen machen, was sie wollen. Wenn sie kein Kondom benutzen wollen, gibt es nur wenige Frauen, die ein Geschäft ausschlagen. Die Not ist zu groß. Auch die Polizisten behandeln sie mit Willkür. Sie ziehen abends nur so aus Spaß durch Kabalagala, um Prostituierte festzunehmen.”
Im kanthari-Institut entwickelte Harriet den Plan, Töchter von Prostituierten zu Krankenschwestern auszubilden. So hätten sie eine geregelte Arbeit und müssten nicht in die Fußstapfen der Mütter treten. Zudem können sie sich später um die Mütter kümmern, wenn diese an Aids erkrankt sind.
Schon bevor Harriet ihre Initiative startete, gewann sie einen internationalen Preis für innovative Ideen. “Alles schien zunächst so einfach. Doch als ich dann aus Kerala kam und meine Arbeit im Rotlichtviertel aufnehmen wollte, hatte ich erstmal einen ziemlich schweren Stand. Die Prostituierten fragten sich mit Recht, was ich dort wollte. Wollte ich sie vielleicht ausspionieren? Ging es mir um den Nervenkitzel? Sie ließen mich links liegen, und ich konnte ihnen ja schlecht hinterherrennen und sie zu ihrem Glück zwingen.“
Harriet ließ sich nicht entmutigen. Sie hatte für sich und ihr Team T-Shirts anfertigen lassen. Vorne drauf, samt Logo, der Name ihrer Organisation, “Rhythm of life“. Und hinten ein Text, der über ihr Vorhaben informiert. Diese T-Shirts, die sie immer trugen, wenn sie auf den Straßen unterwegs waren, halfen dabei, dass sich die Prostituierten allmählich an Harriet und ihr Team gewöhnten.
Der Durchbruch kam an dem Tag, als wir sie besuchten. Harriet erhielt ein Paket von einem Schweizer Ärztepaar, das sie im kanthari-Institut kennengelernt hatte. Die beiden hatten selbst lange in Afrika gelebt. Er, Walter Munz, hatte einige Jahre die von Albert Schweitzer gegründete Klinik in Lambarene geleitet, und beide hatten sich sehr für Harriets Vorhaben interessiert. Das Paket enthielt eine Kollektion Femidome (Kondome für Frauen), womit sich die Frauen selbst schützen können. Harriet lud uns ein, sie bei einer ihrer Streifzüge durch Kabalagala zu begleiten, um die ersten Femidome an die Frau zu bringen.
Wir kamen gerne mit, merkten allerdings schnell, dass wir nur störten, denn die Prostituierten betrachteten Paul, Marijn und Tomek als potenzielle Kunden. Also beobachteten wir die Szene aus einer gewissen Distanz. Harriet, ein Temperamentsbündel, zeigte mit großen Gesten und viel Witz, wie das Femidom benutzt wird. Bald ließen die Prostituierten Freier Freier sein, und es dauerte nicht lange, da war Harriet von einem Pulk lachender Frauen umringt.
“Besonders schwer war es, ein geeignetes Büro zu finden. Ohne ein Büro existiert eine Organisation nicht. Doch ich wollte die mühsam gesammelten Spendengelder nicht einfach so für die Miete verschleudern. Ich fragte bei Kirchen an, ob sie einen Unterschlupf für uns hatten, aber die wollten mich nicht. Klar, Rotlichtviertel und Kirche, das passt nicht so gut zusammen. In meiner alten Schule wurde ich dann fündig. Ich machte mit dem Schulleiter einen Deal: Ich unterrichte die Mädchen in Sexualkunde und HIV-Prävention, und sie stellen mir kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung.”
Wichtig ist, gegen Stigmatisierung von bestimmten Krankheiten vorzugehen. Und wichtig ist Aufklärung.