(Von Chacko Jacob)
“Würde es dich stören, wenn einer der Teilnehmer aus einem anderen Kulturkreis kommt oder vollkommen andere Weltanschauungen hat?”
“Absolut nicht! Ich finde es großartig, wenn die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen. Das ist geistig sehr anregend!”
“Einige unserer Teilnehmer sind schwul, lesbisch oder transgender. Sie werden in ihren eigenen Ländern aufs schärfste diskriminiert. Wie stehst Du dazu?”
„Aah… Schwule, Lesben hmm, diese Leute … nun ja, … in unserem Land ist das nicht erlaubt. Aber wir sind alle Menschen oder …? Solange wir uns gegenseitig Raum geben … und sie mir ihren Glauben nicht aufzwingen, ist es schon ok.”
Das sind häufige Reaktionen von Kandidaten, die für den kanthari Kurs ausgewählt werden. Besonders diejenigen haben starke Vorbehalte, die aus Kulturen stammen, in denen Religion, besonders der Islam oder das Christentum eine große Rolle im täglichen Leben spielt.
Während einige sich die Mühe geben, nicht all ihre Vorurteile auf einmal rauszulassen, reden andere frei drauf los. Und das, was dabei rauskommt, ist oft schockierend.
Dokumentarfilme wie “God Loves Uganda” geben uns einen Einblick, in die heutige Situation der Schwulen und Lesben in Uganda, und er zeigt auf, wie der religiöse Fundamentalismus in afrikanischen Ländern eine Atmosphäre extremer Homophobie und Transphobie geschaffen hat.
Der Schwulen- und Lesben-Hass ist natürlich nicht auf den afrikanischen Kontinent begrenzt. Jeden Tag gibt es Nachrichten über tägliche Diskriminierung: killings in Honduras, government backed persecution in Iraq, open attacks and draconian laws against gay people in Russia
Simbabwe ist ein Land, umgeben von Mosambik, Botswana, Südafrika und Sambia. Die ersten drei Nachbarländer haben in der jüngeren Geschichte wegweisende Entscheidungen zum Schutz der LGBTQI getroffen. Aber in Simbabwe, unter der jahrelangen Herrschaft von Mugabe, konnte sich der von den religiösen Führern geschürte Hass getrost breitmachen.
Trevor, ein 2018 kanthari, setzt sich mit seiner Organisation Purple Hand Africa (PHA) für den Schutz und gegen die staatlich legitimierte Diskriminierung der LGBTQI ein. Wir fragten ihn, wie es der Schwulen-, Lesben und Transgender Gemeinschaft in Zimbabwe und in Zeiten von Corona ergeht.
„Corona wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf das Leben der LGBTQI-Community aus. Stellt Euch mal vor, Du hast ein Doppelleben, hattest noch nicht die Möglichkeit oder den Mut, Dich Deiner Familie gegenüber zu outen. Und jetzt musst Du über zwei Monate “unerkannt” bei Deiner Familie wohnen. Es gibt ganze Dramen, da die Familie durch Zufall über die wahre Identität erfahren hat. Das kann für einige sogar richtig gefährlich werden. Diejenigen, die Hormone einnehmen, um die Geschlechtsumwandlung voranzutreiben, haben Schwierigkeiten, an die notwendigen Hormone zu kommen. Es sind auch Zeiten, in denen die Polizei unter dem Deckmäntelchen der Ausgangssperre Transgender maßlos brutal wird, nur weil ihr Äußeres Aussehen nicht mit der Geschlechtsangabe in ihrem Ausweis übereinstimmt. Wenn man dazu die Arbeitslosigkeit und den Nahrungsmangel in Simbabwe betrachtet, sieht die Situation für meine Zielgruppe recht düster aus.
PHA konnte in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, wie zum Beispiel GALZ, eine Liste der bedürftigen Personen zusammenstellen. Daraufhin wurden sie mit Lebensmittelkörben und -masken versorgt.
Trevor stört, dass NGOs, die sich mit dem Thema LGBTQI befassen, sich fast ausschließlich auf das Thema HIV fokussieren. Er möchte mehr als das. Es geht ihm um ein lebenswertes Leben mit der Identität, die man sich erwählt und in diesem Zusammenhang geht es ihm um Unterhaltssicherung, Selbstversorgung, und besonders auch um mentale Gesundheit. Er kämpft für ein Leben ohne Angst, für eine Gesellschaft in der Akzeptanz großgeschrieben wird.
Vor Corona organisierte er Kreativitäts-Camps, in denen die Teilnehmer durch Geschichten, Musik und Malerei ihre Ängste zum Ausdruck bringen konnten. Jetzt konzentriert er sich mehr auf mentale Gesundheit.
Es gibt Diskussionen darüber, wie die Gesellschaft sie sieht und wie sie sich selbst sehen. Das war eine Frage, die man ihnen noch nie gestellt hatte und dementsprechend groß war die Aufregung.
“Langsam und stetig beginnen die Teilnehmer zu verstehen, dass viele unterschiedliche Identitäten übereinanderliegen und sie diese Schichten einzeln unter die Lupe nehmen müssen. Was wurde ihnen von der Gesellschaft oder der Familie auferlegt? Was hatten sie sich selbst eingeredet? Wer wollten sie tatsächlich sein?”
Trevor arbeitet an einer Dokumentation, die die einzelnen Stationen dieser Workshops festhält. Sie soll Ende diesen Monats veröffentlicht werden. Zudem ermutigt er seine Zielgruppe, weiterhin Geschichten zu verfassen, die dann später als Sammlung in einem Buch veröffentlicht werden.
“… Als Gemeinschaft sehen wir immer einen Regenbogen nach dem Unwetter.” So Trevor Molife.
Zusatz:
Der Name Purple Hand Africa stammt vom LGBT-Symbol “Purple Hand” ab. Die Geschichte dieses Symbols ist die folgende:
1969 protestierte eine Gruppe von Aktivisten für Schwulenrechte vor dem Büro des San Francisco Examiner. Der Protest war eine Reaktion auf einen Artikel, der die Schwulengemeinschaft herabsetzte. Die Mitarbeiter des Medienhauses gossen ein Fass lila Farbe vom Dach auf die Demonstranten. Die Demonstranten tauchten ihre Hände in die Farbe und malten Slogans an die Gebäudewände. Überall ließen sie ihre lila Handabdrücke. Später wurden die lila Hände auch woanders in San Francisco gesehen. Sie markierten eine Bewegung durch die Stadt, bis die Polizei sie brutal niederknüppelte.
Dieser Tag wurde als Freitag der lila Hand bezeichnet und steht für die Befreiung der Schwulenbewegung.