Vom Mensch zur Kuh und wieder zum Mensch – Lepra in Indonesien

Dr. Johny Sulistio
2023 kanthari Teilnehmer aus Indonesien

Nach seinem Ruhestand als Arzt entschied sich Johny Sulistio aus Indonesien, mit Kühen zu arbeiten, um wieder einen Sinn im Leben zu finden. Dabei traf er auf einen Leprapatienten mit starken Deformationen. Aufgrund des Stigmas wird Lepra oft spät diagnostiziert und dadurch auch spät behandelt. Die Ausgrenzung, die Leprakranke in Indonesien erfahren müssen, erweckte in Johny den Wunsch dem uralten Stigma entgegenzuwirken. Er plant das “Haus von Ketupat”, eine heimelige Begegnungsstätte, in der Ärzte, Sozialarbeiter, Leprakranke und ihre Angehörigen gemeinsam leben und arbeiten.

“Diejenigen, die ein “Warum” zum Leben ausdrücken können, ertragen fast jedes “Wie”. – Viktor Emil Frankl

Ich war einst ein erfolgreicher Arzt in Indonesien, ein Mediziner, der einer Fabrik angehörte. Der Erfolg stieg mir zu Kopf und ich ging voller Arroganz durchs Leben, fand Glück in der Liebe und genoss die Gesellschaft jeder schönen Frauen, die zufällig meinen Weg kreuzte. Doch ich rechnete nicht mit dem Sturm der Konsequenzen. In einer Nacht warf mich meine Frau hinaus und schrie: “Du bist ein Tier. Ein Stier, der sich mit jeder Frau am Arbeitsplatz herumtreibt!” Diese Worte brannten sich fest und es folgte eine langjährige Depression, einhergehend mit Einsamkeit und Schuldgefühlen. Zwei Jahre später trat ich in den Ruhestand. Ich fand keinen Lebenssinn. Ich wollte nicht mehr mit Menschen arbeiten. Sechs Monate vergingen, in denen ich einsam umherirrte, bis ich durch einen Film die Idee bekam, mich von den Menschen zu befreien und ganz dem Tierwohl hinzugeben.

Johnys Neuanfang

Ich studierte künstliche Besamung und wurde auf eine Insel namens Savannah Village geschickt, um diese Technologie einzuführen.
Es war nicht ganz einfach, die Dorfbewohner von diesem neuen “Wunder” zu überzeugen. Zumal ich drei Monate brauchte, um meinen ersten Erfolg vorweisen zu können. Da ich aber mit den Hirten zusammen lebte, fassten sie bald vertrauen. Mehr und mehr Hirten kamen zu mir und baten um Hilfe. Die Hirten waren erstaunt und feierten es, wenn sie ein weißes Brahmanenkalb sahen, das auf seinen Beinen stand und an der rotbraunen Mutter saugte. Ein sicheres Zeichen, dass die künstliche Befruchtung geglückt war.

Ja, das steigerte tatsächlich mein Selbstvertrauen als wiedergeborener Veterinär. Obwohl sich meine medizinischen Kollegen über meine neue Karriere die Münder zerrissen, lebte ich zufrieden unter den Kühen und ihren Haltern in Savannah. Ich half bei der Geburt von Kälbern und führte sogar einige Kaiserschnitte durch. Letzteres war bei Kühen doch sehr viel einfacher im Vergleich zu Menschen, denn Kühe benötigen keine Vollnarkose. Während eines Besuchs bei einem Hirten, kam das Schicksal zurück zu mir. Da kam ein älterer Mann, dessen Körper von grausamen Verformungen gezeichnet war. Der Mann hatte Lepra in einem fortgeschrittenen Stadium. Mit Schwacher Stimme erzählte er mir: “Ich habe verschiedene Arten von Medikamenten ausprobiert, aber nichts wirkt. Ich lebe am Teich, wo die Kühe trinken und erhalte gelegentlich Hilfe vom Besitzer der Rinder!”

Lepra erkrankte in Indonesien

Konfrontation mit dem Stigma: Lepras späte Diagnose

Dies war ein erneuter Wendepunkt, bei dem ich in Betracht zog, mich medizinisch wieder auf Menschen zu fokussieren. Lepra war dabei der Aufhänger und meine ursprüngliche Idee war es, medizinische Dienstleistungen innerhalb eines Wohnkomplexes für Lepra-Patienten anzubieten. Diese Idee führte mich zurück nach Ost-Java, um mit einer NGO zu arbeiten, die sich auf Lepra spezialisiert hatte. Damals war ich an einer klinischen Studie eines Einmal-Antibiotikums für Personen beteiligt, die Kontakt mit Lepra-Patienten hatten. Dabei kam ich einem Lepra-Patienten näher. Das ist nicht so selbstverständlich, denn die Selbststigmatisierung führt oft dazu, dass Lepra-Patienten einen großen Bogen um unseren Berufstand machen. Ich nutzte meinen Zweitberuf als “Kuhbesamer”, um mich auf nicht klinische und freundlichere Weise vorzustellen. Ich gewann das Vertrauen, weil unser Gespräch sich zunächst einmal um Kühe drehten. Auch seine Nachbarn interessierten sich für das Kuhthema und ignorierten den Leprazustand meines zukünftigen Begünstigten.

Von der Einsamkeit zur Gemeinschaft

Es schien, als gäbe es gar kein Stigma. Sie saßen einfach im Kreis und redeten gemeinsam über Fütterung und Gesundheitsvorsorge der trächtigen Kühe. Ich habe die Gewohnheit, wegzulaufen, wenn es ungemütlich wird. Es ist ein Mechanismus zur Bewältigung meiner Probleme. Das “Weglaufen” meine ich im wahrsten Sinne des Wortes: Ich laufe Marathon und das gibt mir die Kraft, um über meine Fehler nachzudenken. So kann ich mein Verhalten verbessern. Über die Jahre habe ich allerdings gelernt, dass das Treffen von Menschen mir die Kraft gibt, zielgerichteter zu leben. Und die Momente mit Lepra Kranken und ihren Angehörigen gehören für mich zu den wertvollsten Momenten meines Lebens.

Planung für die Zukunft: Das 'Haus von Ketupat' Projekt

Ich weiß, dass Lepra nicht in kurzer Zeit verschwinden wird, genauso wie ein Marathon Geduld und anhaltende Anstrengung benötigt. Doch Geduld ist umso wichtiger, wenn es darum geht, das altertümliche Stigma zurückzudrängen. Schließlich habe ich einen Plan, den ich jetzt nur noch verwirklichen muss. Das “Haus des Ketupat”, ein Landhaus, in dem Sozialarbeiter, Ärzte und Leprapatienten gemeinsam zum Wohl und zur Gesundung leben und Arbeiten. Es bietet eine heimelige Umgebung für Pflege und medizinische Versorgung. Wir planen, Mitglieder der umliegenden Gemeinschaften für ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen. Dies soll dazu beitragen, das Stigma gegenüber Leprapatienten zu reduzieren und alle sollen durch ihre Beteiligung an kreativen, kooperativen und einkommensgenerierenden Aktivitäten gestärkt werden. Es soll als Modell dienen, um eine Welt zu schaffen, in der von Lepra betroffene Menschen ermächtigt werden, die Gesellschaft mitzugestalten

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